Die Sache mit der Gleichberechtigung wird nicht einfacher, wenn Kinder ins Spiel kommen. Besonders im ersten Jahr übernimmt meist die Frau die Fürsorge für das Baby. Aber es geht auch anders. Wir haben uns vorgenommen, die Betreuung der Kinder von Anfang an zwischen uns aufzuteilen. Ich habe folglich bei beiden Kindern nach dem Wochenbett angefangen in Teilzeit, hauptsächlich im Homeoffice an meiner Doktorarbeit zu schreiben. Die meiste Zeit war es also kein Problem, Stillpausen einzulegen. Doch standen auch immer wieder Archivaufenthalte, Konferenzen und Besprechungen an, für die ich mehrere Tage verreisen musste. Bei unserem ersten Kind, hat mich mein Mann meist begleitet. So waren wir gemeinsam im Archiv und einer Konferenz. Mit zwei Kindern wird das schon schwieriger. Besonders im letzten Jahr habe ich die Reisen meistens alleine gemacht und in der Zeit meiner Abwesenheit Milch abgepumpt. Das klingt erstmal nicht kompliziert, ist aber mit Organisationsaufwand verbunden. Und nicht nur das. Genauso wie es immer noch Vorbehalte gibt, Kinder in der Öffentlichkeit zu stillen, ist kaum jemand dafür sensibilisiert, was eine abpumpende Mutter braucht. Das kann durchaus zu unangenehmen Situationen und schambehafteten Gesprächen führen. Aber fangen wir mal bei den Basics an.
Warum muss überhaupt Milch abgepumpt werden?
Die Frage klingt banal, ist aber wichtig zu stellen. Ich bin vielen Menschen begegnet, denen gar nicht bewusst war, wie die natürliche Milchproduktion eigentlich funktioniert. Selbst Frauen setzen sich bis zur eigenen Schwangerschaft kaum mit dem Thema auseinander. Mich eingeschlossen. Die weibliche Brust wird in unserer Gesellschaft mehr als Sexobjekt denn als Produzentin von Muttermilch wahrgenommen.
Vielleicht ward ihr schon einmal auf einer öffentlichen Toilette und habt ein komisches Pumpgeräusch aus der Nachbarkabine gehört? Oder ihr habt euch über eine schon ewig besetzte ICE-Toilette aufgeregt? Die Chancen stehen gut, dass da gerade Milch abgepumpt wurde. Eine Milchpumpe gehört zum Standard-Equipment von stillenden Müttern, die sich entscheiden, während der Stillzeit zu arbeiten. Es ist nämlich so: Stillt eine Mutter ihr Baby, ist es wichtig, die Brust regelmäßig zu entleeren. Auch wenn das Baby gerade nicht verfügbar ist. Für alle Laien im Stillbusiness: In den ersten Monaten trinkt ein Baby etwa alle 2-3 Stunden. Nachts gibt es manchmal eine größere Pause, muss aber nicht sein. Irgendwann, meistens etwa um den sechsten Monat herum, fängt das Baby an, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Bis eine Stillmahlzeit komplett ersetzt ist, kann es aber durchaus noch dauern. Die Brüste der Mutter werden also gut und gern über mehrere Monate regelmäßig entleert. Ihr denkt jetzt vielleicht: Naja, ist ja schön und gut. Und was ist jetzt das Problem, wenn die Mutter mal eine Stillzeit nicht da ist und das Baby die Flasche bekommt?
Die Brust ist an einen gewissen Trinkrhythmus gewöhnt und produziert fleißig Milch. Sie ist zur nächsten regulären Mahlzeit also bereit zur Entleerung. Passiert das nicht, staut sich die Milch in den Brustdrüsen. Die Brüste werden größer, schmerzempfindlich und die Milch läuft in kleinen Dosen heraus. Die nassen Flecken auf der Kleidung schreien nach Entleerung. Passiert das nicht, kann es zu Milchstau, einer Brustentzündung und Fieber kommen. Die Milch muss also raus.
Und wie lässt sich das Abpumpen in den Arbeitsalltag integrieren?
Im Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind die Rechte von stillenden Müttern eindeutig geregelt. So heißt es in §7 (2):
„Der Arbeitgeber hat eine stillende Frau auf ihr Verlangen während der ersten zwölf Monate nach der Entbindung für die zum Stillen erforderliche Zeit freizustellen, mindestens aber zweimal täglich für eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde. Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden soll auf Verlangen der Frau zweimal eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Ruhepause von mehr als zwei Stunden unterbrochen wird.“
Stillzeit entspricht der Abpump-Zeit. Jede stillende Frau hat somit das Recht auf eine bezahlte Pause zum Abpumpen sowie entsprechende Räumlichkeiten. Zu den entsprechenden Räumlichkeiten gehört nicht die Toilette oder die Abstellkammer. Als selbstständige Seminarleiterin und als Stipendiatin im Wissenschaftsbetrieb ist diese gesetzliche Regelung allerdings nicht leicht umzusetzen. Ich stehe in keinem anerkannten Arbeitsverhältnis mit meinem Institut und kann mich dementsprechend nicht auf die gesetzliche Grundlage berufen. Aber auch für regulär angestellte Frauen ist es nicht immer leicht, diese Regelung umzusetzen. Es stellen sich Fragen wie: Wann lege ich die Abpump-Pause ein? Wie kann ich die Pause mit anderen Verpflichtungen wie Team-Meetings in Einklang bringen? Was mache ich bei längeren Bahnfahrten oder Flugreisen und – sehr wichtige Frage – wo lagere ich die abgepumpte Milch? Im Archiv hatte ich mein eigenes Büro. Auf Konferenzen oder als Seminarleiterin auf Blockseminaren war es nicht immer leicht, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Und nicht nur das. Dauert eine Besprechung länger als geplant, kann der eigene Abpump-Plan durcheinander geraten. Die Auswirkungen habe ich oben schon beschrieben.
Stillen muss als natürlicher Prozess akzeptiert werden
Ich habe in den letzten Jahren viel Zeit auf ICE-Toiletten und Uni-Toiletten verbracht. Das ist kein geeigneter Raum zum Abpumpen, aber es war für mich oft die einzige Möglichkeit. Das muss sich ändern! Genauso wie das Stillen eines Babys als normaler Vorgang in der öffentlichen Wahrnehmung akzeptiert werden sollte, muss auch das Abpumpen von Muttermilch als normaler Vorgang anerkannt werden. Mütter sollten sich nicht verstecken müssen. Und nein, man bekommt die weibliche Brust auch beim Abpumpen nicht zu Gesicht.
Ich habe gelernt, damit offen umzugehen. Ich habe kein Problem damit, bei der Konferenzleitung nach einem Kühlschrank zur Lagerung der Muttermilch zu fragen oder bei Seminaren im Vorfeld einen Raum zum Abpumpen anzufordern. Das hat mich aber Zeit und Erfahrung gekostet. Am Anfang war es mir unangenehm nachzufragen, ich wollte andere nicht in unangenehme Situationen bringen. Damit habe ich mich aber selbst in die unangenehme Situation gebraucht, 20 Minuten mit der Milchpumpe auf der Toilette zu sitzen. Das muss nicht sein! Meiner Erfahrung nach reagieren die meisten wirklich verständnisvoll auf mein Bedürfnis nach Rückzug und Kühlschrank. In einem lockeren Doktorand_innenseminar habe ich auch schonmal während der Seminarsitzung abgepumpt. Es hat sich niemand daran gestört. Einige haben selbst Kinder und kennen das Still- und Abpumpprozedere. Und die anderen müssen es einfach lernen.
Vereinbarkeit heißt auch, jeder Mutter die Möglichkeit zu geben, Stillen und Arbeiten miteinander zu verbinden. In unserer Gesellschaft muss es normal sein, ein Kind in der Öffentlichkeit zu stillen. Und genauso normal sollte es auch sein, in den verschiedensten Lebenssituationen Muttermilch abzupumpen. Wir müssen nur mehr darüber reden. Und uns trauen, einfach die Pumpe rauszuholen, Spucktuch drüber zu legen und abzupumpen.
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Danke für den interessanten Artikel über Milchpumpen. Ich möchte nach der Geburt meines Kindes so schnell wie möglich zurück zur Arbeit. Milch abpumpen könnte die perfekte Lösung sein, damit die Brüste regelmäßig entleert werden und das Baby keine Stillzeit verpassen wird, auch wenn ich nicht dabei bin.