Ich habe mir alles so schön ausgemalt. Die 40 Schwangerschaftswochen nutze ich um mit meiner Arbeit so richtig voran zu kommen. Schließlich lassen sich Archivreisen und lange Arbeitsphasen mit Kind nicht mehr so leicht organisieren. Eine Schwangerschaft ist schließlich keine Krankheit. Am Ende kam natürlich alles anders.
Das Schlafdefizit beginnt früher als gedacht
Die Schwangerschaftsbeschwerden variieren von Frau zu Frau. Jede hofft von den schlimmsten Beschwerden verschont zu bleiben. Einige arbeiten bis zur Geburt und erfreuen sich bester Gesundheit und Energie. Anderen passiert das Gegenteil. Ich würde mich so dazwischen verorten. Außerdem dachte ich, das bisschen Übelkeit wird meinen Arbeitsalltag nicht wirklich einschränken. Mit Übelkeit hatte ich am Ende gar keine Probleme, dafür aber mit meinem Nachtschlaf.
Vor der Schwangerschaft habe ich wunderbar geschlafen. Abends ins Bett und morgens ausgeruht wieder aufgewacht. Damit war schon in der 5. SSW Schluss. Denn meine Blase schickt mich seither mehrmals in der Nacht auf die Toilette. In den ersten Wochen hat mich das ziemlich geärgert, wollte ich doch einfach durchschlafen und überhaupt, sollten die nächtlichen Unterbrechungen nicht erst losgehen, wenn ein Baby meine Fürsorge braucht und nicht schon 9 Monate vorher?
Da lag ich wohl falsch. Schon nach den ersten zwei Monaten war ich dementsprechend müde und schlapp. In Kombination mit dem Hormoncocktail, den Schwangere natürlicherweise ausgesetzt sind, war an konzentriertes Arbeiten kaum zu denken. Morgens bin ich kaum noch erholt aufgewacht. Nach dem dritten Monat war ich an das Schlafdefizit gewöhnt, bin nachts schneller wieder eingeschlafen und der Hormonhaushalt regulierte sich. Bis zum Ende des siebten Monats konnte ich relativ gut weiterarbeiten. Dann begann der Spuck von vorn. Ich lag nachts stundenlang wach. Entweder besuchte ich die Toilette oder ich hatte einen Bärenhunger oder der Bauch war im Weg oder meine Gedanken fuhren Achterbahn. Es half nur noch ein Mittagsschläfchen am Tag um irgendwie einigermaßen munter zu sein. In den letzten Monaten schaffte ich oft nicht mehr als zwei, drei Stunden pro Tag.
Eine ganz schön schwere Kugel
Um die 25. Schwangerschaftswoche wuchs der Bauch rasant. Und das brachte einige neue Beschwerden mit sich. Bahnreisen wurden unangenehmer, Gepäck konnte ich kaum mehr allein die Treppe hoch tragen und wie bekommt man eigentlich einen Autogurt über den Bauch? Ich habe mir natürlich, nativ und unwissend, einige Termine bezüglich meiner Arbeit in die letzten Schwangerschaftsmonate gelegt. Nach einer Archivreise, die in Dresden begann und über Chemnitz und Jena in Bonn endete realisierte ich, wie anstrengend Reisen als Schwangere sein kann. Nicht nur ließ meine Konzentration über den Aktenbergen immer mehr nach. Jedes Treppensteigen wurde langsam aber sicher zu einem Kraftakt. Alle Aktivitäten waren doppelt so anstrengend, wie vorher und dementsprechend war ich früher müde und kaputt.
Arbeitspause im Mutterschutz
Als Stipendiatin ohne sozialversicherungspflichtige Anstellung gab es für mich keinen offiziellen Mutterschutz. Trotzdem ist es durchaus sinnvoll sich die letzten sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin nichts mehr vorzunehmen. Da ich möglichst viele Archivreisen vor der Geburt abarbeiten wollte, bin ich sechs Wochen vor der Geburt nach Freiburg gefahren, um dort eine Woche im Archiv zu arbeiten. Ich bin in dieser Zeit an die Grenzen meiner Kräfte gekommen. Ich konnte mich einfach nicht mehr konzentrieren. Mit Mühe und Not habe ich es geschafft ein paar Stunden Akten zu wälzen um am nachmittag vollkommen erschöpft im Bett zu landen. Ich habe mir nach dieser Reise nichts mehr vorgenommen. Trotzdem packte mich immer mal wieder die Lust etwas für meine Arbeit zu lesen und so habe ich auch zwei Tage vor der Geburt noch ein paar Seiten durchgearbeitet. Aber mit weniger Druck und ohne ein klares Arbeitsziel.
Fazit
Ich hatte eine sehr schöne Schwangerschaft ohne Komplikationen. Trotzdem war es anstrengend und ich habe diese Anstrengung im Vorfeld unterschätzt. Daher hatte ich viele Ziele und Ambitionen und habe am Ende viel weniger geschafft, als ich wollte. Niemand kann vorher wissen, wie die Schwangerschaft verläuft. Trotzdem ist es sicher sinnvoll lieber weniger einzuplanen und am Ende mehr zu schaffen, als sich zu viel Druck zu machen. Die Schwangerschaft ist eine besondere Zeit und sollte auch ein bisschen genossen werden.
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